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Gewalt bei Gefahr im Verzug?

Dieses Thema im Forum "Small Talk" wurde erstellt von Custer, 22. Februar 2003.

  1. schnuff

    schnuff Neuling

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    Hallo Custer!

    Naja dieser spezieller Fall war zwar auch bei uns in den Medien, ich bin aber nicht mit allen Einzelheiten vertraut. Zur Erpressung eines Geständnisses darf nie Gewalt angewendet werden, alle Argumentationen in die Richtung, dass mit Gewalt erzwungene Geständnisse auch falsch sein können sind sicher richtig.
    So weit ich informiert bin, stand in diesem Fall die Täterschaft ja nicht mehr in Frage, es war nur der Verbleib des Kindes fraglich und die Ermittler hatten Hoffnung bei schneller Auffindung das Leben des Kindes retten zu können (korrigiere mich, falls das falsch ist). Später stellte sich heraus, dass diese Hoffnung falsch war, aber zu diesem Zeitpunkt sah man eine Möglichkeit das Kind eventuell zu retten, nur mußte es schnell gehen.
    Wenn wir von diesem Sachverhalt ausgehen, hat man als Polizist die zwei Möglichkeiten:
    - die rechtlich gesicherte Variante: weitere Erhebungen in alle Richtungen, um den Aufenthaltsort herauszufinden durch Befragungen von Bekannten des Täters, suchen nach Indizien usw.
    - die beherzte Variante: sag mir wo das Kind ist oder ich brech dir jede Minute einen Finger - geht wahrscheinlich schneller

    Was ich gemacht hätte: hängt von den Informationen ab, ob durch schnelles Auffinden des Kindes dessen Leben gerettet werden kann. Für mich würde das Verhalten der Polizisten gerechtfertigt sein bei Vorliegen von Informationen oder berechtigten Vermutungen, dass ein schnelles Auffinden des Kindes dessen Leben retten kann und der Täter den Aufenthaltsort weiß und durch die Verweigerung der Aussage das Leben des Kindes riskiert - in diesem Fall und nur in diesem Fall liegt Notstand vor.

    Auf keinen Fall ist es gerechtfertigt das Geständnis an und für sich mit Gewalt zu erwirken, die Täterschaft muß zweifelsfrei erwiesen sein (nach menschlichen Dafürhalten, aufgrund von schlüssigen Sachbeweisen oder einem aus freien Stücken abgegebenen Geständnisses). Das ist glaube ich ein entscheidender Punkt in dieser Diskussion - es wurde nicht versucht ein Geständnis zu erpressen, sondern den Täter zu zwingen den Aufenthaltsort des Kindes zu nennen, das ist für micht ein großer Unterschied.

    Die Diskussion, ob das Anwenden von Gewalt durch die Polizei in Ausnahmefällen erlaubt sein soll stellt sich nicht. Anwendung von Gewalt ist grundsätzlich strafbar und muß es auch sein. Für jedes Delikt sieht das Gesetz aber rechtfertigenden Notstand vor. Ein Beispiel: Jemand der vorsätzlich eine Tür eintritt, begeht Sachbeschädigung. Befindet sich jedoch jemand im alpinen Gelände in Bergnot und findet eine Berghütte und bricht die Tür auf, um sich vor dem Erfrierungstod zu retten, kann er sich natürlich auf Notstand berufen und ist strafrechtlich nicht zu belangen. D.h. das Gesetz beschreibt mit der Bezeichnung Notstand eine Ausnahmeregelung für jedes, an und für sich strafbare Delikt, somit kann jedes Delikt straffrei werden. Bei der Bewertung, ob Notstand vorliegt muß immer die Verhältnismäßigkeit geprüft werden und dafür gibt es objektive Gerichte. So stellt sich die Frage, ob Folter in Ausnahmefällen erlaubt werden soll gar nicht, denn es ist schon erlaubt. Wer sich natürlich bei Folter auf Notstand berufen will, muß schon glaubhaft machen, dass er damit Leben retten wollte, eine andere Rechtfertigung kann es da sicher nicht geben.

    Wenn es wirklich so wahr, dass nur eine rasche Nennung des Aufenthaltortes das Kind retten hätte können, so bewundere ich die Entscheidung der einschreitenden Beamten, denn sie ist mutig, bringt einen sicher vor den Richter und kann den Job kosten, stellt die eigene Existenz und die der eigenen Familie in Frage.
    Gewohnheitsmäßig Gewalt anzuwenden, weil dadurch Fälle schneller geklärt werden, kann ich nur verurteilen und mit solchen Kollegen hab ich nichts am Hut.

    Gruß
    Schnuff
     
  2. BikerMan

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    @Schnuff: Meine Rede. Und ein sehr guter Beitrag.
    Der Täter hat wohl am Vorabend im Verhör (warum auch immer) den Anschein erweckt, daß das zwar Kind noch lebt, aber schon bald in Lebensgefahr schwebt. Und daher diese Androhnung von Gewalt.
     
  3. riffraff

    riffraff Gold Member

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    @Bikerman

    Frage: Hat er das wirklich oder ist das einfach eine Schutzbehauptung der Polizisten ? Hat er zugegeben dass er das Kind entführt hat oder wurde ihm vorher schon gedroht ? War es ein "Eindruck" den die Polizisten hatten oder hat er es explizit gesagt ? Bikerman Du hast genau den Punkt gebracht ! Hier hat man einfach "Glück" gehabt, was ist das nächste Mal ?

    @schnuff
    wer entscheidet das die Beweise ausreiche ? DIe Polizei ? Der Staatsanwalt ? Das Gericht ? Wieviel "Folter" ist in Ordnung ? Darf ich ihm das Telefonbuch um die Ohren hauen oder Ihm einen Finger brechen ? Wenn das nicht genügt kann ich ihm mit einem Bügeleisen die Füsse massieren ? Wer entscheidet das ? Oder sollten wir, für die ganz harten, wieder eine 3-stufige Folter einführen ? Bei welchen Tatbeständen darf gefoltert werden ? Was ist wenn der Täter doch unschuldig ist ? Wie willst Du ihn dann entschädigen ?

    "Entschuldigung, ich hab Dir zwar die Hand gebrochen und den Arm ausgekugelt aber ich hoffe es macht Dir nichts aus, war ein Irrtum weil ich den Eindruck hatte Du bist schuldig"

    Willkommen im Mittelalter !

    RR

    <small>[ 27. Februar 2003, 12:11: Beitrag editiert von: riffraff ]</small>
     
  4. Lefist

    Lefist Institution

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    Hallo Schnuff!

    Vielen Dank für die Definition von Notstand aus Sicht der Justiz. Ich denke die hilft uns allen bei der Diskussion wesentlich weiter.

    Wenn ich dich recht verstehe hat der betreffende Beamte unter Umständen im Rahmen der geltenden Gesetze gehandelt und würde demzufolge nicht bestraft.
    Er kann hoffentlich glaubhaft nachweisen damals einen Schaden fürs Leben des Jungen abwenden gewollt zu haben indem er den Aufenthaltsort vom Täter unter Zwang in Erfahrung brachte.

    Da sind wir doch mal alle gespannt zu welchem Ergebnis die weitere Untersuchung in diesem Fall führt.

    Es beruhigt mich aber das von der Gesetzgebung her dieser mutige Beamte eine reale Chance auf Einstellung des Verfahrens eingeräumt bekommen könnte.
     
  5. BikerMan

    BikerMan Platin Member

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    @riffraff: Leider habe ich logischerweise das Vernehmungsprotokoll nicht, aber ich gehe davon aus, daß sich darauf eindeutig der zeitliche Ablauf wer wann was gesagt hat ergibt und das bisher behauptete der Wahrheit entspricht.
     
  6. riffraff

    riffraff Gold Member

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    @Bikerman

    Grobes Foul-&gt; jemand der geltendes Recht ( keine Gewalt gegen Verhaftete) bricht hat ein Protokoll geschrieben das der Wahrheit entspricht ?? Darf ich einfach mal Zweifel anmelden ?

    RR
     
  7. BikerMan

    BikerMan Platin Member

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    @Riffraff: So kann man alles in Frage stellen.

    Bei der Vernehmung waren mit Sicherheit immer mehrere Beamte anwesend. By the Way wo war der Anwalt des Beschuldigten, eine Zeugenbefragung wird es ja wohl nicht mehr gewesen sein?

    Und bitte jetzt nicht die alte Mär vom Chorgeist und die Lügen eh für ihren Vizechef, der hat das selbst an die Öffentlichkeit getragen (und wurde direkt von Untergeben auf die Rechtswidrigkeit der Anordnung hingewiesen. (Siehe Spiegelbeitrag...))
     
  8. riffraff

    riffraff Gold Member

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    @Bikerman

    um die Diskussion zu beenden: Natürlich kann es so gewesen sein wie Du gesagt hast aber es kann auch anders gewesen sein oder ? Es geht hier nicht um den Corpsgeist der Polizei es geht darum, dass ein Polizist gegen geltendes Recht verstossen hat ! Das er dabei gutes im Sinn hatte ist unerheblich ! Wir haben Gesetze und ein Polizist hat diese Gesetze zu achten und nicht zu brechen Punktaus ! Wenn wir diesen Grundsatz aufgeben, geben wir unser Rechtsystem auf und dann ist der Willkür Tür und Tor geöffnet ! Die Einstellung was ein Verbrechen ist und wie es bestraft wird ist ständigen Änderungen unterworfen ( siehe ³218 StGB) über eins sind sich aber alle Rechtsstaaten einig: Gewalt zur Erzwingung von Zeugenaussagen ist verboten ! Ein System welches gegen diesen Grundsatz verstösst verdient den Namen Rechtsstaat nicht. Der Grundsatz ist nicht dazu da Verbrecher zu schützen sondern unter anderem auch dazu, Unschuldige davor zu bewahren Geständnisse abzulegen für Dinge die sie nicht getan haben. Wenn Du mit diesem Grundsatz des Rechtsstaates nicht einverstanden bist empfehle ich dir einen Umzug in Länder wie Nordkorea, die Phillippinen oder auch die Türkei.

    RR
     
  9. BikerMan

    BikerMan Platin Member

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    @Riffraff, extra für dich nochmal mein Beitrag von oben, was soll daher dieser blödsinnige Hinweis mit dem Umzug an meine Adresse?

    Ansonst lies doch einfach nochmal die Beiträge von Schnuff, der hat es doch wunderbar erklärt....

    EOD
     
  10. Troll

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    http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,237100,00.html

    Und es beginnt langsam.
    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,237727,00.html
    und zum Schluss noch einen Link zum INTERVIEW MIT VERFASSUNGSRICHTER HASSEMER
    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,237980,00.html